Hannes Mäser

Organisation

Bericht Projektbesuch RDO Tansania

Johannes Rauch war vom 10. - 31. Oktober 2025 in Tansania und schildert die aktuelle Lage vor Ort.

Hannes Rauch
30.11.2025

Aktuelle politische Situation in Tansania

Am 29. Oktober 2025 fanden in Tansania Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Bereits im Vorfeld gab es Bedenken, da zwei wichtigen Oppositionsparteien die Kandidatur verwehrt wurde. Trotz einer Wahlbeteiligung von unter 50 % wurde ein überwältigender Sieg der Regierungspartei und der amtierenden Präsidentin Samia bekannt gegeben.
Dies führte zu Protesten, vor allem unter jungen Menschen. Dabei wurden auf Straßen und öffentlichen Plätzen mit großen Grasbüscheln Feuer entfacht. Während sich die Armee zurückhaltend verhielt, reagierte die Polizei mit großer Härte, was auch zu Todesopfern führte. Über einen längeren Zeitraum wurde das Internet gesperrt, wodurch sowohl das Bankwesen als auch der Treibstoffverkauf an Tankstellen zum Erliegen kamen.
Durch Ausgangssperren und umfassende Straßensperren in die großen Städte konnten die Aufstände schließlich beendet werden. Einzelne Regierungsvertreter räumten später Versäumnisse und Fehler ein.
Die Dörfer im RDO-Gebiet, insbesondere in Mdabulo und Kilolo, waren von den Unruhen nicht betroffen. Die Proteste konzentrierten sich auf größere Orte und Städte entlang der Hauptverkehrsstraßen.


RDO-Organisation

Die Grundstruktur der RDO-Organisation funktioniert nach wie vor sehr gut. Lediglich die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Steering Committee (=Geschäftsführung) musste auf Aufforderung der Regierung statutengemäß angepasst werden.
Künftig müssen Aufsichtsratsmitglieder die in den NGO-Statuten verankerten Ziele vertiefend kontrollieren und deren Einhaltung sicherstellen. Innerhalb der RDO wird diese Anpassung als positive Weiterentwicklung gesehen.


Waisenunterstützungsprogramm

Die Dorfkomitees, die das Waisenprogramm tragen, arbeiten sehr verantwortungsvoll und verfügen mittlerweile über viel Erfahrung. Bisher lag der Schwerpunkt vor allem auf dem Überleben der Waisenkinder sowie auf Bildung und Ausbildung.
Zukünftig soll die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen stärker in den Mittelpunkt rücken. Viele ehemalige Waisen, die heute als Ausgebildete an Colleges oder Universitäten studieren und teilweise bei RDO arbeiten, beginnen zunehmend, über ihre Erfahrungen und seelischen Belastungen zu sprechen. Dieses Wissen soll in die Betreuung der aktuellen Waisenkinder einfließen.
Ein weiterer Fokus liegt auf der intensiveren Betreuung von Waisenkindern bis acht Jahren. Erfreulich ist, dass die meisten Kinder und Jugendlichen im RDO-Programm inzwischen gute Vorbilder haben, die ihr Leben selbstständig und erfüllend gestalten. Dadurch wächst aus früherer Hoffnungslosigkeit neue Zuversicht – ein Aspekt, den wir im Programm künftig stärker betonen möchten.


Berufsschulen (VTC)

VTC Mdabulo

Die Berufsschule in Mdabulo mit dem Standort Ibwanzi ist infrastrukturell weitgehend ausgebaut. Klassenräume, Werkstätten und Lehrerzimmer sind ausreichend vorhanden. Derzeit werden noch Werkstätten für Honig- und Milchproduktion fertiggestellt.
Ein Schwerpunkt dieses Einsatzes lag in der Instandhaltung und Instandsetzung der Gebäude und Werkstätten. Ulrike Türtscher hat das bestehende Instandhaltungskonzept überarbeitet und gemeinsam mit den Verantwortlichen umgesetzt.
Das Hauptproblem liegt darin, dass Lehrer sich für Sauberkeit und Ordnung der Gebäude nicht zuständig fühlen. Dieses Defizit betrifft Schulen im ganzen Land. Das neue Konzept regelt nun Reinigung, Reparaturen (z. B. kaputte Fensterscheiben) und das Ausmalen von Klassenräumen verbindlich.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Sanierung der großen Halle in Lehmstampfbauweise. Im Januar 2026 ist die Instandhaltung des Standorts Ibwanzi geplant, die von Koordinatorin Epifania betreut wird.
Laut Berichten der staatlichen Inspektoren können unsere Berufsschulen insgesamt einen hohen Standard vorweisen.

Berufsschule Kilolo

Auch die Berufsschule in Kilolo zeichnet sich durch ein sehr hohes Ausbildungsniveau aus. Im Ausbau fehlt lediglich noch eine Versammlungshalle, deren Fundament aus Steinmauern derzeit errichtet wird. Die Fertigstellung ist für das kommende Jahr geplant.
Im Bereich „Erneuerbare Energien“ ist in Zusammenarbeit mit der Firma Omicron ein Upgrade auf College-Niveau in Planung. Aktuell laufen die Konzept- und Finanzierungsarbeiten.


Landwirtschaftsausbildung

Die Bedeutung der Landwirtschaft hat – vor allem bei jungen Menschen – stark zugenommen. Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der steigenden Nachfrage, insbesondere in den Städten, sind die Preise für landwirtschaftliche Produkte deutlich gestiegen, sodass gute Einkommen erzielt werden können.
In den vergangenen Jahren jedoch zeigte die junge Generation geringes Interesse an landwirtschaftlichem Wissen. Die Subsistenzwirtschaft wurde kaum weiterentwickelt, abgesehen vom verstärkten Gemüseanbau in Sumpfgebieten – meist mit intensivem Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern.
RDO errichtet derzeit drei kleine landwirtschaftliche Berufsschulen mit jeweils 15 bis 20 Schüler:innen an den Standorten Kinyambulunge (Mdabulo), Malangali und Makungu (Kilolo). Die Standorte unterscheiden sich stark in Topografie und Klima.
In Kinyambulunge ist der Ausbau so weit fortgeschritten, dass im Dezember 2025 bzw. Januar 2026 der Unterricht starten kann. Dort werden Anbau von Feldfrüchten, Obst- und Gemüsebau (Freiland und Gewächshaus), Bienenzucht, Fischzucht und Tierhaltung unterrichtet. Dank der guten Wasserversorgung ist ganzjähriger Betrieb möglich.
Der von Studierenden der FH Dornbirn entwickelte und umgerüstete elektrische Einachsschlepper wurde von Peter Türtscher fertiggestellt und steht nun für den Einsatz bereit. Bewährt sich dieses Modell, sind weitere Umrüstungen geplant, um vor allem Frauen körperlich zu entlasten.
Charly Türtscher arbeitete während des Einsatzes am Weidemanagement in Kinyambulunge und errichtete mit Schülern einen Elektrozaun.


Selbstständigkeit nach der Ausbildung (Self Employment)

Ein zentrales Anliegen der RDO ist die Förderung der Selbstständigkeit von Absolvent:innen der Berufsschulen und Waisen nach abgeschlossener Ausbildung.
In den letzten drei Jahren wurden neben der regulären Ausbildung wiederholt praxisorientierte „Learning by Doing“-Kurse angeboten. Diese Kurse, die sich besonders an junge Menschen ohne Schulabschluss richteten, waren sehr erfolgreich und wurden von staatlichen Organisationen finanziert.
Viele Teilnehmende gründeten im Anschluss selbstständige Gruppen – häufig in den Bereichen Schuluniformproduktion, Möbelherstellung, Bienenkästenproduktion und Bauhandwerk.
RDO-Absolvent:innen führten zahlreiche Schul- und Krankenstationserweiterungen durch.
Weitere selbstständige Tätigkeiten entstanden in den Wassergenossenschaften, etwa bei Bau und Instandhaltung von Wasserprojekten. Die Produktqualität ist insgesamt hoch; Defizite bestehen jedoch in Buchhaltung und Kreditmanagement. Daher wird in Zukunft die Schulung in diesen Bereichen verstärkt.


Wasserprojekte – WATA

Die Wasserprojekte in Mdabulo, Malangali und Kilolo stehen kurz vor dem Abschluss. In Mdabulo werden derzeit die Projekte in Iegeya und Kilosa fertiggestellt.
Neue Großprojekte sind vorerst nicht geplant. Der Fokus liegt auf der Instandsetzung und Erweiterung bestehender Anlagen, insbesondere auf der Erneuerung der ältesten Quellfassungen, die durch Wurzelwerk und Erosion beschädigt wurden.
Die neuen Quellfassungen wurden technisch verbessert, sodass Verwurzelungen leichter entfernt werden können. Aufgrund zunehmender Brandrodung und großflächiger Waldverbrennungen müssen Wasserleitungen aus Kunststoff regelmäßig mit Erde bedeckt werden, um Schäden zu vermeiden.
Die Einführung des „Prepaid“-Systems hat sich sehr bewährt: Die Stationen funktionieren zuverlässig und werden gut gewartet – ein Erfolg der guten Ausbildung der Fachkräfte. Etwa ein Drittel der bestehenden Anlagen soll in den nächsten zwei Jahren noch umgestellt werden.
Die Aufteilung der Wassergebühren in drei Teile – Waisenunterstützung, Dorfkomitees und Instandhaltung – hat sich ebenfalls als sehr wirksam erwiesen. Auch die verwendeten Verrechnungs- und Organisations-Apps haben sich bewährt.


Zusammenfassung

Trotz der hohen Inflation in Tansania ist es den RDO-Verantwortlichen gelungen, die Eigenfinanzierung über Produktion und Dienstleistungen zu erhöhen. Dadurch konnte die Abhängigkeit von europäischen Geldgebern reduziert werden.
Das Seminarzentrum in Mafinga arbeitet erfolgreich und wird zunehmend genutzt; erste Einnahmen wurden bereits erzielt.
Aufgrund der Größe von RDO-Tansania ist das staatliche Interesse an Kontrolle und Mitsprache gestiegen. Fidelis, Stasi und Obadia pflegen jedoch eine sehr kooperative und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit den Behörden.
Abschließend lässt sich sagen: Wir von der „Einen Welt Gruppe“ können stolz auf das sein, was in RDO-Tansania geleistet wurde/wird.

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